„Spree“- und „bus“-Ausgaben 2009

Bei zahlreichen Ausgaben übernahmen andere Studierende die Redaktionsleitung. „bus“ wird von SD Media herausgegeben, axin betreut dabei die Redaktion und Produktion. Der Internet-Auftritt von „bus“ ist unter www.stadtstudenten.de zu finden.

Christopher Jestädt leitete 2009 die „bus“-Redaktion.

Im Herbst 2009 war es soweit: aus „berlins universellem studentenmagazin – bus“ wurde „spree – studentenpresse“. Damit einher ging ein Relaunch von Printlayout und Website (www.stadtstudenten.de, von Stephan Lahl betreut). Die Ansprüche, Ziele und technischen Parameter sind die selben geblieben. Ich betreute „Spree“ und „bus“ als verantwortlicher Redakteur, leitete jeweils die Produktion und gestaltete gemeinsam mit Stephan Lahl das Layout. Christiane Dohnt unterstützte „spree“ bei der Redaktionsleitung.

Klick auf das Cover lädt das Heft als PDF.

#1/2009: Neue Visionen

Januar 2009: Neue VisionenEditorial: Ein Visionär ist jemand, dessen Halluzinationen die Welt verändern. Jeder von uns hat eigene Visionen. Vorstellungen von einer gerechteren Welt. Ideen für eine glorreiche Zukunft. Pläne für eine tolle Partnerschaft. Manche dieser Visionen werden wahr. Andere nicht. Manche Visionen kollabieren wie die Aktienwerte großer Finanzhäuser. Dann braucht es neue Visionen. Neue Visionen für alle. Ob dies eine kollektive Vision sein muss oder ob sich von den zahllosen Visionen letztlich eine durchsetzen wird, kann noch keiner sagen.

An einem Mai-Abend 1905 resignierte Albert Einstein beim Denken über das Wesen der Zeit und die Widersprüche im Weltbild der Physik: „Ich gebe auf!“ Am nächsten Morgen legte er mit der wahnsinnigsten Vision von Physik den Grundstein für ein neues Denken: mit seiner speziellen Relativitätstheorie.

Wer weiß, was die Zukunft bereithält, gilt zu Recht als Visionär. Dem Seher wird im Moment der Prophezeiung allerdings oft Wahnsinn unterstellt. Helmut Schmidt meinte einst über Willy Brandt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Willy Brandt ging in die Knie. Gelten Visionen nur noch als Krankheitsbild, siegt die Rationalität endgültig. Doch wir als menschliche Wesen brauchen Visionen und Träume. Bis zur Unendlichkeit, und noch viel weiter. 

#2/2009: Lebensläufe

April 2009: LebensläufeEditorial: Laufen ist das, was passiert, wenn man nicht mehr stillsteht, aber auch noch nicht rennt. Es ist eine kontinuierliche Vorwärtsbewegung, die gleichzeitig das Vorwärtsstreben beinhaltet. Dieses Streben und Nach-Vorne-Wollen war auch bei den Winterspielen mit Eisschnell-Lauf, Skilang-Lauf oder Slalom-Lauf deutlich zu spüren. Ebenso drängt der Lauf der Welt voran und wechselt nun vom winterlichen Zauber zur frühlingshaften Sonnigkeit.

Eine Stimme im Hinterkopf haucht „Augenblick, verweile doch, du bist so schön“, doch nicht erst seit Goethe wissen wir, dass der Stillstand der Welt nicht nur physikalisch unmöglich, sondern auch nicht wünschenswert ist. Also werden wir wie immer einfach nur die schönen Momente genießen und hoffen, dass die schlechten Momente die Ausnahme sind. Wir könnten auch von Augenblick zu Augenblick eilen, doch würden wir vor lauter Hast dann die Schönheiten am Wegesrand unseres Lebensweges übersehen.

Mit dem neuen Semester beginnt die nächste Teiletappe unseres Lebensweges. Wir laufen weiter auf unseren Hauptstraßen – jeder auf seiner eigenen. Manche nehmen Rücksicht und gewähren Vorfahrt, andere würden ihre Straßen gern nur über Brücken oder durch Tunnel führen lassen. Manche zotteln gemütlich vor sich hin, andere jagen, als gelte es, dem Teufel zu entkommen. Letztlich – und damit soll unser kleiner Exkurs enden – kommt es wie immer auf die Balance an: auf die Balance zwischen Stillstand und Eile, zwischen sich selbst und anderen, zwischen dir und mir.

#3/2009: Mit Gefühl

Mai 2009: Mit GefühlEditorial: Gefühlvoll soll der Mann von heute sein. Einfühlsam ebenso. Natürlich soll er zu seinen Gefühlen stehen, sie zugeben und auch manchmal weinen können. Während die holde Männlichkeit sich also müht, der hehren Weiblichkeit immer ähnlicher zu werden, tauchen zunehmend humanoide Vertreter der femininen Spezies auf, die so gar nichts von Gefühlen wissen wollen. Das Spektrum erweitert sich. Männer müssen nicht alle Männer-Klischees erfüllen, um Männer zu sein. Frauen können auch ohne Herd, ohne Handtasche und ohne Helfersyndrom echte Frauen sein.

Der Sommer lockt die noch verbliebenen einsamen Herzen, sich auf die Suche nach einem passenden Zweitherz zu machen. Denn was kann es Schöneres geben, als wenn sich zwei Individuen – ob nun Mann oder Frau – miteinander wohlfühlen? Die Anforderungen sind hoch, denn nicht jede emanzipierte Frau möchte einen weichgespülten Softie, und nicht jeder Macho will tatsächlich eine ergebene Jungfrau. Wenn dann noch die Seminarbeste lieber mit der Partymaus ausgeht oder sich der Klugscheißer vom Dienst mit dem Rocker von Nebenan bestens versteht, wissen wir, dass wir in verrückten Zeiten leben.

Hauptsache mit Gefühl!

#4/2009: Wahlpflicht

Juni 2009: WahlpflichtEditorial: Wir haben das Recht zu wählen. Doch manchmal ist uns dieses Recht gar nicht so recht. Da wünschen wir uns, dass eine Entscheidung einfach schon getroffen wäre. Oder dass wir andere Wahlmöglichkeiten hätten. Es fällt leicht, in die Gesänge von der Wahlverdrossenheit einzustimmen. Doch jede Wahl beinhaltet die Tatsache, dass ich mich erstens entschieden habe, diese Wahl treffen zu wollen und zweitens die Wahloptionen anerkenne.

Zugegeben, bei politischen Wahlen fällt die Entscheidung zunehmend schwerer. Auch Wahlpflicht-Entscheidungen im Studium sind selten einfach. Doch wenn es immer einfach wäre, wäre es auch langweilig. Wir brauchen einerseits die Herausforderung und zweitens mitunter auch den Leidensdruck – denn beides bringt uns als Personen und als Gesellschaft voran, in das nächste Level.

Wer am 27. September nicht wählen geht, ist ein faules Ei! 

#5/2009: Anpfiff

Editorial: Wieder heißt es: Auf ein Neues! Noch einmal tief durchatmen, ein Ründchen Pilates und dann ab ins harte Spiel des Lebens. Ein neues Semester startet – für manche das erste, für andere eines von unzähligen. Für die immer Optimistischen beginnt das gefühlt allerbeste und produktivste Halbjahr, nach zahlreichen Niederlagen, schlechten Klausuren, halbherzig geschriebenen Hausarbeiten soll nun die Wende im Curriculum kommen. Anpfiff zur nächsten Runde!

Auch für „spree“ beginnt eine neue Runde. Jahrelang haben wir euch als „bus – berlins universelles studentenmagazin“ begleitet. Alles wird neu. „bus“ hat nicht nur ein komplett neues Aussehen bekommen, sondern auch einen neuen Namen. Die Personen dahinter und ihr Engagement sind jedoch die gleichen geblieben – vielleicht magst ja auch du dich dazugesellen. Als „Studentenpresse“ begleiten wir weiterhin Studierende aller Hochschulen in Berlin und Potsdam durch die schönste Zeit ihres Lebens.

Lang waren die Debatten, ob „bus“ überhaupt einen neuen Namen benötigt. Der Name einer Zeitschrift ist gleichermaßen Kennzeichen wie Versprechen. Mit dieser ersten Ausgabe unter neuer Flagge geben wir euch das Versprechen: „spree“ bleibt mindestens so gut wie „bus“.

#6/2009: Mensch – Maschine

Editorial: Bist du assimiliert? Kannst du noch ohne Technik leben? Ohne iPod, Laptop, ohne Internet, Steckdose, ohne Fertiggerichte, eingeschweißte Käsescheiben, ohne künstliche Gelenke, Armbanduhr? Wer einmal erlebt hat, wie viel neue Lebensfreude ein künstliches Kniegelenk verleihen kann, vergisst rasch jede Technik-Skepsis. Doch ist die Person nicht abhängig von diesem neuen Kniegelenk, und ist Abhängigkeit nicht das Gegenteil von Freiheit?

Jede Technologie, jede Maschine hat zwei Seiten. Auf der einen Seite glänzt es: Eine Technologie versüßt unser Leben, eine Maschine erleichtert unsere Arbeit. Wie es auf der anderen Seite der Medaille aussieht, können und wollen wir bei dem Geglänze nicht sehen: unsere Abhängigkeit von Strom- und Datennetzen, die Schäden für unsere Umwelt und unsere Nachfahren, der Wartungs- und Pflegeaufwand, den jede Maschine einfordert.

Wie menschlich sind wir, wenn uns ein anonymer Blog-Beitrag mehr bedeutet als die Neurosen der Menschen um uns herum? Gern wären wir wirkliche Maschinen: stets logisch, berechenbar und zuverlässig. Jedenfalls wünschen wir uns das von den anderen, die immer wieder anders sprechen und handeln als wir von ihnen erwarten. Unser Streben ist paradox. Wir wollen ein lebendig-saftiges Leben und dabei höchste Akkuratesse und Zuverlässigkeit. Beides schließt ein ander aber aus, weshalb „Clockwork Orange“ eine Illusion bleibt.

Wir wollen keine Moral predigen, denn die moralische Vielfalt verwirrt uns. Und das ist etwas zutiefst Menschliches: Verwirrung.