„bus“-Ausgaben 2008

Ich betreute „bus“ als verantwortlicher Redakteur, leitete jeweils die Produktion und gestaltete gemeinsam mit Stephan Lahl das Layout. Christopher Jestädt (ab Ausgabe #2 2009) und Alexandra Zykunov (bis Ausgabe #2 2009) unterstützten bei der Redaktionsleitung. Im Jahr 2008 stellten wir „bus“ von zwei Ausgaben pro Semester auf drei um. Klick auf das Cover lädt das Heft als PDF.

#1/2008: Vernetzt

Editorial: Gemeinsam ist man weniger allein. Allein ist man weniger gemeinsam – galt zumindest bis vor kurzem. Jetzt unterhalten wir uns mit Freunden aus aller Welt gleichzeitig, sitzen dabei aber allein vor einem elektrischen Kasten. Wir sind rund um die Welt und rund um die Uhr vernetzt.

Communitys – wie die modernen Netzwerke gern genannt werden – haben unser soziales Verhalten gründlich verändert. Grüßen heißt „posten“, umarmen wird „gruscheln“ genannt, und unsere Freunde staunen, wenn sie unsere Fotos in unseren Profilseiten entdecken. Sind diese Fotos zu privat, kann das Netzwerkeln die künftige Karriere verhindern. Weiß man seine Netzwerke jedoch gezielt einzusetzen, steht man bald oben auf der Karriereleiter. Dann noch schnell die Nachricht über den errungenen Job als Bulletin versenden, und alle sind glücklich.

Ob gemeinsam oder allein, Netzwerke sind wichtig. Sie haben nur neue Formen dazubekommen.

#2/2008: Geil

Editorial: „Was ist der Sinn meines Lebens?“, fragte die Zelle und teilte sich. Als Ergebnis von purer Geilheit hat sie noch keine Ahnung vom Leben. Sie weiß nicht, was an der nun beginnenden Jahreszeit so geil ist.

Sie kennt die Freuden des gemeinsamen Grillens im Park nicht. Sie ahnt nichts von der Euphorie auf Open-Air-Konzerten. Sie weiß noch nicht, wie sich pralle Sonne auf der Haut anfühlt oder welche Gefühle das Anschauen und Berühren fremder Haut auslösen kann. Einfach geil.

Gestiegene Hormonspiegel, fluoreszierende Klangkulissen und lockere Sommercocktails beflügeln die Lebensgeister. Nicht selten kommt es so zu der einen oder anderen geilen Begegnung.

Und der Kreis schließt sich.

#3/2008: Oh, Gott

Editorial: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“, klingt uns die Gretchenfrage im Ohr. Goethes Faust hielt nicht viel davon, Mephistopheles hatte ihm religionsfrei einen guten Deal angeboten. Der brachte ihn in Teufels Küche, Gretchen blieb zurück. In Deutschland glauben zwei von drei Personen an den Allvater. Aber was bedeutet es schon, an Gott zu glauben, wenn der Alltag mit Klausuren und Nebenjob und die globale Entwicklung mit Kriegen und Klimakatastrophe viel wichtiger scheinen?

Letztlich entscheidet jeder für sich, woran er glaubt: Ob Gott nicht existiert, im Himmel über uns wacht, eine unsichtbare Naturgewalt ist oder im leisen Knistern besteht, das sich zwischen zwei Menschen aufbaut. Seid fruchtbar und mehret euch und missioniert eure Mitmenschen, auf dass alle die besten aller möglichen Studienleistungen erringen. Zyniker finden in Kirchenhäusern keine Erleuchtung, sondern erfrischende Kühle, während andere die heißen Tage am Badestrand herumlümmeln. Doch Vorsicht: Faulheit ist des Teufels Ruhekissen. 

#4/2008: Hau rein!

Editorial: Fahrradfahren ist weniger anstrengend als Hausarbeitschreiben. Auf dem Rad verbrauche ich etwa zweitausend Joule pro Stunde, mein Laptop will die hundertfache Energiemenge – ich kann also nie so schnell radfahren, wie er die Energie frisst. Die körperliche Anstrengung des In-die-Pedale-Tretens ist also der geistigen Arbeit des In-die-Tasten-Hauens nur schwer vergleichbar, wie Studienanfänger rasch am eigenen Leib erfahren werden. Berücksichtigt man, dass zurzeit etwa zwei Millionen Studierende in Deutschland regelmäßig am Computer sitzen und Hausarbeiten schreiben, mag man das gar nicht in Fahrradstunden umrechnen.

In ganz Deutschland werden an einem Tag fast 40 Petajoule Energie verbraucht, dafür hätte Jesus gemeinsam mit 10 Millionen Menschen durchgehend bis heute Radfahren müssen. Oder er wäre ganz allein 100 Milliarden Mal um die Erde herumgefahren.

Im Vergleich überrascht der Energiehunger meines Laptops gar nicht, schließlich kann er theoretisch zwei Milliarden Entscheidungen pro Sekunde treffen, ich dagegen nur 100.000. Dafür habe ich dank Kant einen freien Willen, kann also jede Entscheidung treffen, die ich will. Was sind außerdem zwei Milliarden dämliche Entscheidungen im Vergleich zu 100.000 hochintelligenten? Dass Computer dämlich sind, wusste schon Murphy und ihm wird auch folgende Beobachtung zugeschrieben: Sobald eine unfertige Aufgabe zu einer Angelegenheit auf Leben oder Tod wird, fällt der Strom aus. Da hätten wohl ein paar Leute mehr radfahren sollen.

#5/2008: Am Rand

Editorial: Alle reden von der Mitte. Alle wollen in die Mitte und schießen dann doch übers Ziel hinaus und landen auf der anderen Seite. Da wollten sie aber nie hin. Pech gehabt. Immerhin wechselt derjenige dann mal die Perspektive. Manchmal auch die Einstellung. Doch wenn man sich nicht in der Stadt der träumenden Bücher verliert, hat man noch die Kraft, sich aus der Ecke heraus zu kämpfen, in die neue Mitte. Das kann nicht schlecht sein. Daher im Sinne von Bob dem Baumeister: Yes, we can! Er ist nicht der einzige, der diesen Triumphruf für sich entdeckt hat.

Der andere ist hinlänglich bekannt und wurde voller Jubel begrüßt. Eine Grenze wurde überschritten. Viel ist möglich. Neue Grenzen erscheinen am Horizont, neue Ränder. Neue Herausforderungen für alle. Wir hoffen auf das Neue, auf das Besondere.

Nur Mittelmaß wollen wir nicht. Man will ja keine graue Maus sein, sondern der bunte Hund. Farbe schadet im Winter nicht. Zu Weiß kann man alles anziehen. Gut für das bunte Berlin.