„bus“-Ausgaben 2007

Ich betreute „bus“ als verantwortlicher Redakteur, leitete jeweils die Produktion und gestaltete gemeinsam mit Stephan Lahl das Layout. Alexandra Zykunov (ab Ausgabe #3 2009) unterstützte bei der Redaktionsleitung. Klick auf das Cover lädt das Heft als PDF.

#1/2007: Aufstehen

Editorial: Der abwesende Winter sitzt noch in allen Gliedern, und das Frühjahr macht mit den ersten warmen Tagen Lust auf Sommer. Aber bis dahin gilt es, den Frühling zu überstehen, mit allem, was zu einem echten und wirklichen Frühling dazugehört: Frühjahrsmüdigkeit, Frühlingsgefühle und Frühlingserwachen.

Die Frühjahrsmüdigkeit ist zwar keine echte Krankheit, aber sie lässt uns krank und schlapp fühlen. Vernünftige Ernährung und Anpassung des Tagesrhythmus an den Sonnenverlauf soll sie wirksam bekämpfen. Wer will allerdings täglich mit dem ersten Sonnenstrahl aufstehen?

Dann lieber den Frühlingsgefühlen hingeben. Eigentlich möchte man jauchzend jeder zweitenPerson um den Hals fallen –wenn man nur nicht so frühjahrsmüde wäre. Oder man ergötzt sich an der frühlingshaften Natur: Überall sprießt und blüht es. Das ganze Herz quillt angesichts solcher Pracht über. Verständnislos betrachten wir andere Menschen, deren Herz noch im Winterschlaf liegt und die solch Naturspektakel kalt lässt. Da sind uns jene Geschöpfe lieber, die vor Freude jauchzend gerade an unserem Hals hängen und uns für die Schönheit der Welt, des Lebens und des Fühlens begeistern.

In diesem Sinne: Aufstehen! Raus in die Welt! Gefühle zulassen! 

#2/2007: Helden

Editorial: Wer über Helden nachdenkt, kommt an der langen und detaillierten Geschichte des Heldentums nicht vorbei. Über die Jahrhunderte haben sich die Ansprüche an Helden deutlich gewandelt. Anfangs stand sinnloser Wagemut unter Einsatz des eigenen Lebens im Vordergrund; wer erinnert sich nicht daran, wie Knurps der Putzige mutig in den Kampf gegen den Tyrannosaurus Rex zog. Mit dem Aufkommen der Zivilisation war es nötig, ein Ziel zu haben, für das man in sinnlosem Wagemut das eigene Leben riskieren konnte; noch immer schwelgen wir in Erinnerung an Helgund den Beträchtlichen, der auf der Suche nach dem verwunschenen Schnürsenkel in einem Regenguss umkam. Diese Heldengeneration überlebte – aus naheliegenden Gründen – nicht lange und machte einem eher vorsichtigen Ideal Platz. Frihdluft der Zauderer plante seinen Kampf mit Surold dem Eifrigen so lange, bis dieser wegen eines Leberkatarrhs nicht mehr kampffähig war. Auch diesem Heldenideal war mangels Glamour keine lange Lebenszeit beschieden, die wahren Kämpfer übernahmen die Deutungshoheit über das Heldentum. Kaldor der Gereifte befreite seine geliebte Kalinde aus der Gefangenschaft der wilden Raffnuren – nur mit einem Beil bewaffnet. Aber eines änderte sich nicht: Um ein echter Held zu sein, musste man tot sein. Erst in der jüngeren Vergangenheit ist es auch Helden gestattet, nach ihrer Heldentat weiterzuleben. Eine Heldentat muss nicht mehr zwangsläufig mit Gewalt einhergehen, die Entdeckung eines neuen Buchstabens oder das fehlerfreie Absingen historischen Liedgutes genügen vollauf. Aus der Geschichte lernen, heißt siegen lernen.

Willkommen in der neuen Heldenzeit!

#3/2007: Das erste Mal

Editorial: Und, wie war dein erstes Mal? Schön? Unseres auch! Die einstimmende Musik, die verschwitzten Körper und das Gefühl danach völlig aus der Puste zu sein. Nur das Anstehen ist nervig.

Ist man erstmalig im Berliner Nachtleben unterwegs, kann es gleich mehrere erste Male nach sich ziehen. Das erste mal Trinken, Rauchen, Elektromusik-mögen-Lernen, einen Fremden küssen, um im aufwachenden Berlin zum ersten Mal barfüßig nach Hause zu laufen.

Abgesehen von den eingeschränkten Assoziationen, die diese Formulierung mit sich bringt, gibt es zahlreiche weitere erste Male, die gegen die Gedanken der meisten an das Schlafzimmer jedoch kaum eine Chance haben. Dieser Ungerechtigkeit möchte „bus“ mutig entgegentreten und hörte sich um. Studenten berichten von ihren einzigartigen ersten Malen – fernab der Bettgeschichten. Von A wie Allererster Eindruck, über I wie Ich bin (endlich) ein Berliner, bis zu S wie Studium und wie es funktioniert. Natürlich gibt es auch einen Eintrag E wie Enthüllt – denn „Sex sells“, ob wir es nun beim Namen nennen oder nicht.

Viel Spaß beim „bus“-Lesen, ganz besonders denen, die es zum ersten Mal tun.

#4/2007: Schwarz–Weiß

Editorial: Das Schwarze befördert die Fantasie. Was ist da bloß im Dunkeln los? Auf unsere Augen können wir uns kaum verlassen, wenn die Schatten der Nacht alles in wenig unterscheidbare Grautöne tauchen. Stattdessen vermeinen wir, wilde Gestalten im Dunkel lauern zu sehen, jedes Geräusch wird zur Bedrohung. Je dunkler, desto unheimlicher. Die weit aufgerissenen Augen versuchen, Details zu unterscheiden, wo keine mehr unterscheidbar sind.

Wollen wir die Sonne anschauen, benötigen wir eine Spezialbrille. Viel zu grell ist dieses Licht. Die zusammengekniffenen Augen fürchten sich vor der Strahlenflut, die alles in blendendes Weiß hüllt. Statt Furcht beschleicht uns der Unmut über solche Übertreibungen von Helligkeit.

Wir sind schon seltsame Wesen. Nie ist es uns recht. Es ist zu dunkel, zu hell, zu leise, zu laut, zu farblos, zu schrill, zu kalt, zu warm, zu früh oder zu spät. Wir denken in Zweierpaaren und wissen doch, dass es im wirklichen Leben auf die Töne dazwischen ankommt. Extreme verunsichern uns und verursachen Unbehagen. Gemäßigte Zwischentöne langweilen uns. Was wollen wir eigentlich? Wir wollen uns im Dunkeln gruseln können, ohne Angst zuhaben.