Wissenschaftlich schreiben
In regelmäßigen Abständen wird verlangt, dass du dein Wissen in schriftlicher Form unter Beweis stellst. Hausarbeiten, Essays und andere schriftliche Ausarbeitungen gehören zum studentischen Alltag. Sie zeigen dir und den Dozenten nicht nur, dass du etwas gelernt hast, sondern sie sind auch eine wichtige Übung für die Abschlussarbeiten am Studienende. Ob nun Bachelor-, Master-, Diplom-, Magister- oder Doktorarbeit – du musst deine Werkzeuge sicher beherrschen, damit du dich auf das Wesentliche konzentrieren kannst.
1) Das Aufwändige: Die Recherche
Heureka-Momente sind die 0,1-Prozent-Ausnahme, nicht die Regel. Die Regel ist, dass ein Gedanke aus bestehenden erwächst und weiterentwickelt wird. Deshalb gilt die schlichte Faustregel: Für jede Seite eigenen Text hast du mindestens 100 Seiten fremde Texte gelesen, lieber Hunderte. Gut exzerpiert und gründlich durchgearbeitet bietet dir dein Quellenstudium die beste Ausgangsbasis für einen guten eigenen Text.
Vergiss nie: Du stehst auf den Schultern von Riesen. Also gibst du alle Quellen an, derer du dich bedienst – und das sind deutlich mehr als Lexika, Standardwerke und die „üblichen Verdächtigen“. Aufbauend auf den fremden Vorarbeiten erarbeitest du eigene Gedanken, ziehst Schlüsse und entwickelst deine Ideen.
Wissenschaftlich arbeiten bedeutet vor allem transparent und nachvollziehbar zu arbeiten. In dieser Hinsicht ist wissenschaftliches Schreiben pures Handwerk und bedarf keiner besonderen Genialität.
Übrigens kann auch eine ordentlich dokumentierte Versuchsreihe oder Umfrage eine wichtige Quelle für eine Arbeit sein. In den Geisteswissenschaften sind es oft ein oder mehrere „Primärtexte“, mit denen man sich detailliert und intensiv auseinandersetzt.
2) Das Wesentliche: Der Inhalt
Kläre so schnell wie möglich, welche Aspekte des Themas ausführlich behandelt werden und welche weniger wichtig sind oder weggelassen werden.
Jeder Text beantwortet eine große Frage. Diese dient als Denkhilfe und muss nirgends aufgeschrieben werden. Sie leitet dich, deine Argumente zu sortieren, zu wichten und das Vorgehen zu planen. Du erkennst so, welche Punkte wichtig sind, weil sie helfen, die Frage zu beantworten, und welche verzichtbare Abschweifungen oder unnötige Klugheitsbelege sind.
Gib dich nicht mit deiner erstbesten Idee zufrieden. Je besser sie dir scheint, desto stärker suchst du nach Gegenargumenten.
3) Das Strukturierende: Der Aufbau
Bewährt hat sich der klassische Fünfer-Aufbau: Einleitung, drei inhaltliche Kapitel, Schluss. Einleitung und Schluss sind zusammen maximal so lang wie das mittlere Kapitel. Die Einleitung schreibt man übrigens meist als Letztes bzw. überarbeitet sie am Ende noch einmal gründlich, damit sie einen würdigen Einstieg zum Rest des Textes bildet, von dem man zu Anfang meist noch nicht genau weiß, wie er sich entwickelt.
Die Einleitung stellt das Thema vor. Du stellst das Thema in einen Kontext, beschreibst die Methodik, mit der das Thema bearbeitet wird, und formulierst Thesen oder Fragen für die folgenden drei Kapitel. Diese behandeln jeweils fokussiert einen Aspekt des Hauptthemas. Es ist hilfreich, für jedes dieser Kapitel eine Hilfsfrage als Denkhilfe zu formulieren; diese bilden natürlich auch plausible Unterfragen zu deiner Hauptfrage.
Etabliert haben sich im Wesentlichen zwei Herangehensweisen, sowohl für die Arbeit global als auch für jedes einzelne Kapitel. Entweder du stellst deine Gedanken vor und argumentierst anschließend mithilfe deiner Quellen, warum diese valide sind (Behauptung – Beweis). Oder du leitest aus deinen Quellen Schlussfolgerungen und eigene Ideen ab (belegtes Wissen – Herleitung von Neuem).
Der Schluss bestätigt entweder deine eingangs formulierten Thesen oder widerlegt diese oder fasst die wesentlichen Erkenntnisse zusammen. Ein Literaturverzeichnis ist Pflicht, ein „Anhang“-Kapitel kann Daten von Versuchsreihen, Begriffsdefinitionen, Bilder und Tabellen enthalten, oder du integrierst diese in den Textfluss und fügst dann Abbildungs- und Tabellenverzeichnis hinzu. Vergiss die Quellen für die Abbildungen nicht.
4) Das Nützliche: Deine Textverarbeitung
Beim Schreiben wird dir eine Textverarbeitung deiner Wahl gute Dienste leisten. Du kannst jede verwenden, die folgende Funktionen beherrscht: Formatvorlagen, automatisches Inhalts- und andere Verzeichnisse, Kopf- und Fußzeilen sowie Fußnoten. Taugliche Kandidaten sind: Microsoft Word, OpenOffice, LibreOffice oder Latex. Alle vier sind gut verbreitet und du findest bei Fragen schnell Hilfe im Internet.
Alle bringen gut geeignete Vorlagen mit, sodass du wenig Arbeit hast und losschreiben kannst – das solltest du auch tun. Richte vorher noch Kopf- und Fußzeilen ein. Wenn der Style-Guide deiner Hochschule nichts anderes vorschreibt, kommt in die Kopfzeile links der Titel (oder Kurztitel der Arbeit) und rechts der Name der Veranstaltung, zu der die Arbeit geschrieben wird, oder das Semester bzw. Monat/Jahr des Verfassens. In der Fußzeile steht links dein Name und rechts die Seitenzahl. Prüfe auch, ob die Seitenränder den Vorgaben entsprechen; bei Bedarf änderst du die Einstellungen im Menü „Format > Dokument“ oder ziehst die entsprechenden Marker im Lineal an die gewünschte Stelle.
Die automatische Rechtschreib- und Grammatikkontrolle unterstützt dich in allen Programmen, du musst ihr aber neue Wörter beibringen: Rechtsklick auf das rot unterkringelte Wort und „Hinzufügen“ oder „Schreibweise lernen“. Doch nur weil der Computer nicht meckert, muss es noch nicht stimmen bzw. erkannte Fehler müssen keine sein! Kontrolliere deshalb selber noch mal gründlich und suche dir mindestens eine Vertrauensperson, die dir beim Korrekturlesen hilft.
Fußnoten stehen immer am unteren Seitenrand; da kannst du dich den Automatismen anvertrauen und einfach „Einfügen > Fußnote“ nutzen.
Kümmere dich nicht weiter um optischen Schnickschnack. Bei einer wissenschaftlichen Arbeit zählt der Inhalt mehr als „fancy Design“. Verschwende nicht deine Zeit, sondern schreibe, schreibe, schreibe und dann redigiere und prüfe deinen Text.
Latex ist für längere Texte aufgrund seiner zahlreichen Automatismen und seines überzeugenden Schriftsatzes ganz besonders geeignet. Es handelt sich um ein frei verfügbares Textsatz-System, für das man verschiedene Editoren nutzen kann, beispielsweise das kostenlose Lyx. Für die Bibliografie verwendet man BibTex und verknüpft diese direkt mit dem Hauptdokument. Erst wenn man den „Setzen“-Button klickt, wird eine druckfertige PDF generiert. Die Einarbeitung lohnt sich, und schnell erzeugt man hervorragende Druckergebnisse und kann sich effektiver auf das Schreiben konzentrieren.
5) Das Hilfreiche: Die Formatvorlagen
Um deinen Text ordentlich zu formatieren, nutzt du die sogenannten Formatvorlagen. Platziere den Textcursor in einer Zeile oder einem Absatz, wähle aus den Formatvorlagen die passende aus – fertig. Word zeigt dir die verfügbaren Formatvorlagen in einer Liste an. Je nach Hierarchie verwendest du die Vorlagen für „Überschrift 1“ (Kapitel), „Überschrift 2“ (Unterkapitel) und „Überschrift 3“ (Zwischenüberschriften). Sollten diese nicht automatisch nummeriert werden, nutze eine Standardvorlage, die nummerierte Überschriften mitbringt – das ist effektiver als alle Vorlagen selbst von Hand zu erstellen. Sollte der Standardtext nicht 1,5-zeilig ausgegeben werden, dann ändere die Absatzeinstellungen der Formatvorlage „Standard“ entsprechend.
Oft fehlt allerdings eine Formatvorlage für längere Zitate. Diese legst du selbst an, indem du eine neue Formatvorlage hinzufügst, sie „Zitat“ nennst und in den Absatzeinstellungen links und rechts einen Rand von 1cm einstellst. Den Zeilenabstand verringerst du auf „einfach“.
Mehr wirst du in den meisten Fällen nicht benötigen. Sollte sich nun ergeben, dass du die Schriftart oder etwas anderes am Aussehen deines Dokuments ändern musst, brauchst du nur die entsprechenden Formatvorlagen zu verändern – alle Vorkommen im Dokument werden automatisch angepasst. Auch Kapitelnummerierungen aktualisieren sich von allein, wenn du mittendrin neue einfügst. Nur das Inhalts- und andere Verzeichnisse musst du dann via Rechtsklick neu erstellen lassen.
6) Das Beschönigende: Sprache und Ausdruck
Formuliere klar und deutlich. Finde das treffende Wort, vermeide Metaphern und Sprachspiele. Bleib beim Schreiben konsistent, die Neue Rechtschreibung lässt dir einige Freiheiten; entscheide dich für eine Variante und verwende diese durchgängig. Das gilt auch für Kommasetzungen, transkribierte Namen oder Begriffe und natürlich auch für Zitierweisen bzw. Quellenangaben.
Heute darf zwar „ich“ in einem wissenschaftlichen Text auftauchen, setze es aber sparsam ein. Meide emotionale Wörter, bleibe sprachlich stets auf einer sachlich-neutralen Ebene. Stell dir vor, du müsstest vor Gericht jeden Satz inhaltlich verteidigen – diese Vorstellung hilft, akkurat und eindeutig zu formulieren.
7) Das Ergebnis: Datei und Ausdruck
Hausarbeiten druckt man einseitig aus und lässt einen genügend großen Korrekturrand, meist genügen drei Zentimeter rechts. Nur bei Abschlussarbeiten wird erwartet, dass du diese gebunden einreichst, für andere Hausarbeiten genügt eine Klemmmappe. Jede Arbeit enthält ein Titelblatt mit Angaben zur Veranstaltung, zu der die Arbeit geschrieben wird, deinen Angaben und natürlich den Titel.
Wird die Datei auch digital angefordert, reichst du sie in zwei Fassungen ein. Du erzeugst eine PDF-Datei und schickst die Text-Datei. Bei Latex erhältst du sowieso eine PDF, bei Libre- und OpenOffice gibt es direkt den „PDF erzeugen“-Button. Für Word installierst du unter Windows einen sogenannten PDF-Drucker (gibt es kostenlos im Internet), dann kannst du eine PDF-Datei über den Drucken-Befehl erzeugen. Die Text-Datei schickst du im vereinbarten Format: Doc bzw. DocX (Word), Odf (Open- oder LibreOffice) oder RTF (alle). Verwendest du ein anderes Programm als das geforderte Dateiformat, dann wählst du den Befehl „Datei speichern unter …“ und stellst das Datei-Format auf „Rich Text Format (RTF)“. Die so erzeugte Datei kann jeder lesen und weiterverarbeiten. Als Latex-Nutzer erkundigst du dich im Vorfeld, in welcher Form der Text benötigt wird, oft genügt es, einfach den Text ohne Formate in eine Textdatei oder direkt in eine E-Mail hineinzukopieren.
Autor: Alexander Florin bei LinkedIn
Link-Tipps:
UniGlobale-Beitrag: „Nimm dich beim Wort“. Das passende Wort finden, logisch und präzise formulieren – das Ringen mit der Sprache und ihren Ausdrucksmöglichkeiten begleitet wohl jeden Studenten beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten, von der Einleitung bis zum Fazit. Sprachliche Eitelkeit hilft dir dabei weniger als verbale Ökonomie.
UniGlobale-Beitrag (bei Issuu.com): „Nicht stolpern“. Wissenschaftliches Schreiben bedeutet vor allem Handwerk und sprachliche Schnörkellosigkeit. Wir haben sieben Stolperfallen aus der Praxis aufgegriffen, die deine Studienarbeit entwerten oder gar ruinieren können.
zanjero.de-Beitrag: Texte schreiben mit LaTeX
zanjero.de-Beitrag: Formatvorlagen
zanjero.de-Beitrag: Word und andere Textverarbeitungen
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