Den Fehlern auf der Spur

Dieser Text erschien in „bus“ und thematisiert daher Studienarbeiten. Die Aussagen gelten aber auch für alle anderen Texte.

Wie Kronen sollen die Abschlussarbeit das Ende des Studiums schmücken oder die Doktorarbeit einen glänzenden Einstieg in die wissenschaftliche Karriere ermöglichen. Wie bei einer Krone muss das Werk nicht nur aus der Ferne gut aussehen, sondern soll seine Erhabenheit auch aus der Nähe spüren lassen. Edelsteine setzen gekonnte Akzente, die Form hält die Einzelteile zusammen, und feinsinnige Goldornamente verleihen Individualität und Klasse. Diese Klasse zeigt sich nicht nur in den Inhalten, sondern eben auch in der Form. Ein Übermaß an Rechtschreibfehlern hat schon manche Note um ein Grad verschlechtert. Wenn die Form nicht stimmt oder abstößt, hat der Inhalt es schwerer, von seiner Bedeutung zu überzeugen.

Ob eine Arbeit mit MS Word, OpenOffice (oder LibreOffice) oder Latex geschrieben wird, ist unerheblich. Formatvorlagen und den Einsatz von Automatismen für ein einheitliches Erscheinungsbild sollte jeder Verfasser von wissenschaftlichen Arbeiten beherrschen. Den optimalen Kompromiss aus formschönem Ergebnis und leichter Bearbeitbarkeit bietet das kostenlose Programm Lyx, das auf dem ebenfalls kostenlosen Latex aufsetzt. Wer sich mehrere Monate mit einer Abschluss- oder Doktorarbeit beschäftigt, wird die Einarbeitung nicht bereuen, denn das Schreiben geht flotter von der Hand, und die Ergebnisse sind besser als viele Kampflösungen mit MS Word.

Fehlerquellen

Sieht die Arbeit gut aus und erfüllt sie die formalen Kriterien, sind noch längst nicht alle Schönheitsprobleme beseitigt: „Meine Ausabeitung befaßt sich mit der Inkarnatation von Problem in Neu England, und versucht dessen Lösung dar zu stellen.“ Schusselfehler, falsche grammatische Bezüge, zu viele oder zu wenige Kommas. Viele Fehler schleichen sich unbemerkt ein.

Die Rechtschreibreform hat mit der neugeregelten Getrennt- und Zusammen-, Groß- oder Kleinschreibung und Kommasetzung zusätzlich verunsichert. Automatische Rechtschreib- und Grammatikkontrolle erkennen nur einen Bruchteil der Problemfälle und ersetzen gutes Korrekturlesen nicht. Ebenso verlangt die automatische Silbentrennung oft manuelle Nacharbeit.

Im Stress der Arbeit macht der Tunnelblick blind für offensichtliche Fehler. Betriebsblindheit lässt einen auch beim hundertsten Lesen Fehler nicht erkennen. Wohl dem, der gute Freunde hat, die sich anbieten, die geistigen Ergüsse auf Fehlergehalt zu prüfen. Sicherer ist ein professionelles Lektorat. Das Geld ist gut angelegt, jedoch muss man berücksichtigen, dass damit der Termin für die Abgabe etwas näher rückt, denn ein Lektorat benötigt Zeit. Das Herumfrickeln an der eigenen Arbeit bis zur letzten Minute, bevor sie mit Umweg über den Copyshop in die professoralen Hände gelangt, ist dann nicht möglich. Die Selbstdisziplin zahlt sich aber aus.

Notizen machen

Wer sich an die Arbeit setzt, sollte immer einen Notizblock bereitliegen haben. Dort kann man nicht nur die Struktur skizzieren, um sich stets auf den roten Faden besinnen zu können. Schlüsselfragen finden dort ebenso Platz wie Formulierungen, die an anderer Stelle passend sind. Nützlich sind auch Begriffslisten. Werden Fachwörter benutzt, sollte man sich die korrekte Schreibweise notieren und wo man sie zum ersten Mal einführt.

Gerade bei Namen herrscht mitunter Chaos. Der russische Präsident Медвéдев heißt auf Englisch und in der wissenschaftlichen Transliteration Medvedev, auf Deutsch Medwedew, wobei auch die Schreibung Medwejdjew möglich ist. Herr Breshnew und Herr Medwejdjew sollten nie gemeinsam in einem Text erscheinen, nur als Breshnev (oder Brežnev) und Medvedev oder Breschnew und Medwedew. Es gilt also, sich für eine Umschreibung ausländischer Worte in der gesamten Arbeit zu entscheiden.

Einheitlichkeit

Einheitlichkeit ist das Element, das jedem Text innewohnen sollte. Stilbrüche sind ebenso unschön wie Wechsel zwischen alter und neuer Rechtschreibung. Entscheidet man sich dafür, den erweiterten Infinitiv mit „zu“ durch ein Komma abzutrennen, dann sollte dies stets geschehen, nicht nur nach Belieben. Der Duden liefert bei vielen Einträgen mehrere Schreibweisen, auch hier sollte man sich für eine einheitliche Regelung entscheiden. Stehende Wendungen aus Präposition und Substantiv sollten entweder immer zusammen oder immer getrennt geschrieben werden: zurzeit, aufgrund, infrage (-stellen), zugrunde (-legen).

Die beste Neuregelung der Rechtschreibreform ist dermaßen konsistent, dass jeder Fehler besonders ärgerlich ist: die ss/ß-Schreibung. Nach einem Kurzvokal folgt ss: Fluss, muss, lass, Masse, kross. Nach einem Langvokal oder Diphthong folgt ß: Fuß, Maß, weiß, Straße, heißt, groß, außer.

Dagegen ist die Zusammenschreibung von Wörtern stets umkämpft. Wo der Duden diese zulässt, sollte sie gewählt werden, um die Bedeutung des Wortes zu betonen, beispielsweise den Unterschied zwischen weiter kommen und weiterkommen. Ist das neue Wort grammatisch veränderbar, sollte Getrenntschreibung keine Option mehr sein: erfolgversprechend – erfolgversprechender. Gesteigert wird dabei stets nur ein Bestandteil. Worte wie schnellstmöglichst sind Unsinn.

Strichweise

Ein beliebtes Fehlerfeld umgibt den Gedankenstrich. Auch hier nimmt der Automatismus einiger Programme das Denken ab. Ungünstigerweise greift er auch bei Trennstrichen: „Weitsprung und -wurf“ schreibt MS Word fälschlicherweise mit Gedankenstrich. Der Gedankenstrich steht (außer als Streckenstrich bei Entfernungen) immer von Leerzeichen umgeben. Der Gedankenstrich verbindet keine Wörter, sondern Gedanken oder räumliche Entfernungen (als Streckenstrich), er ist also kein Wort-Verbinder, sondern ein Distanzmarkierer. Um ihn manuell einzufügen, drückt man die <Alt>-Taste und tippt auf dem Zehnerblock 0150 oder drückt auf einem Mac <Alt>-Taste und Minus.

Ein Minus hat dagegen niemals ein Leerzeichen davor oder danach. Es verbindet Wörter, zum Beispiel: Dampfer-Kapitän (Bindestrich, „Minus“), die Entfernung Dortmund–Frankfurt (Gedanken- bzw. Streckenstrich), Er dachte lange nach – erfolglos (Gedankenstrich). Auch der „bis“-Strich ist ein Gedankenstrich mit Leerzeichen, sollte in einem Text allerdings nicht vorkommen, allenfalls in begleitenden Tabellen oder Übersichten.

Lange Wörter kann man durch einen Bindestrich sinnvoll aufgliedern. Bei langen Kopplungen sollte kein Bindestrich fehlen: 18-Wege-Vor-und-Rücklaufsystem. Nach einem Fugenelement („s“ oder „en“) hat ein Bindestrich jedoch nichts zu suchen wie bei Weltraumerforschungssatelliten-Besatzung, das man lieber vor dem Satelliten abgetrennt hätte.

Es gibt im Deutschen übrigens nur ein Apostroph für ausgelassene Buchstaben („e“ oder wenn ein Wort auf „s“ endet): Bennys Disko, Alex’ Butterbrot. Das „Deppen-Apostroph“ bei Susi’s Würstchenbude hat in einer wissenschaftlichen Arbeit nichts verloren.

Zahlen und Großbuchstaben

Handelt es sich um genaue Zahlenangaben, werden die Angaben stets in Ziffern geschrieben. Bei gerundeten oder Etwa-Angaben ist es angebracht, in grammatisch vollständigen Sätzen Zahlen bis zwölf auszuschreiben. Sind nicht exakt 1.095 Tage gemeint, heißt es „drei Jahre“ und nicht „3 Jahre“. „Acht Quadratmeter“ sind für eine Fläche von 3,8 mal 2,2 Metern – die eben 8,36 Quadratmeter groß ist – angemessen; aber eine Fläche von 4,0 mal 2,0 Metern ist „8 Quadratmeter“ groß.

Runde Zahlwörter enthalten immer die Bedeutung „etwa“. „Hundert Broteinheiten“ sind eben nur „rund 100 Broteinheiten“ und nicht genau 100 Broteinheiten. Ziffern werden nicht durch „etwa“ begleitet, sondern sind stets in angemessener Genauigkeit exakt. Wenn das Programm es zulässt, sollte man die Medieval-Darstellung von Zahlen wählen, da sonst mehrstellige Zahlen aus dem Text herausschreien.

Auch großgeschriebene Wörter wirken laut – wer will angeschrien werden? Abkürzungen, die sich als Wort etabliert haben, können wie ein normales Wort geschrieben werden: Bafög, Pkw, Lkw. Auch Firmennamen oder andere Bezeichnungen behandelt man wie Worte ungeachtet des Labels: Sony oder Siemens. Aus „dokumentART“ könnte „DokumentArt“ werden, während natürlich Abkürzungen wie USA, UNO oder DVD in Großbuchstaben bleiben.

Externer Rat

All die Regelungen und Feinheiten und Besonderheiten und Spitzfindigkeiten der deutschen Sprache und vor allem ihrer Schreibung beherrschen selbst Germanisten nicht immer vollständig, die schnell an ihre Grenzen stoßen, wenn es um taugliche allgemeine Regelungen für Anglizismen geht. Eingebürgert hat sich die Schreibung nach der deutschen Großschreibregelung: Substantive groß, andere Wörter klein wie in level Playing Field oder Level Playing Field, wenn es als stehende Phrase gebraucht wird. Es gibt übrigens keine „Parties“ auf Deutsch, sondern nur Partys, Hobbys, Babys und Ladys – bei dem Plural auf „ys“ hat die deutsche Schreibung Vorrang vor der englischen.

Bei allem Bemühen unterlaufen selbst versierten Textern noch zahlreiche Fehlerchen in den eigenen Arbeiten, da niemand von der Betriebsblindheit verschont wird. Das Angebot externer Dienstleister kann sich daher für alle Fachrichtungen lohnen, zumal oft auch praktische Hinweise gegeben werden. So mancher Lektor gibt den einen oder anderen Ratschlag für die Strukturierung, Gestaltung oder gar für den Inhalt. So wird die Abschlussarbeit zur wahren Krönung eines jeden Studiums.

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