Bestehen im Projektdschungel
Alles ist ein Projekt und will gemanagt werden. Gern verzetteln wir uns, nehmen uns zu viel vor, und uns bleiben nur die Scherbenhaufen gescheiterter Ideen. Mit ein wenig Disziplin und unseren Tipps lassen sich Niederlagen vermeiden.
Die To-Do-Liste ist lang: Lernen für eine Klausur, ein Referat vorbereiten, die eigene Geburtstagsparty organisieren, das WG-Zimmer streichen, den Bafög-Antrag abgeben, die Urlaubsfotos im Blog einstellen, einen Partner fürs Leben finden und das Hobby-Film-Projekt endlich beenden. Nebenbei hast du Vorlesungen, Seminare und Übungen, Hausaufgaben, Lektürelisten, und dann willst du noch etwas Sport treiben. Jeder Tag hat 24 Stunden, du bist jung und dynamisch – also alles kein Problem.
Sicher lassen sich Stressphasen aufgrund des erhöhten Adrenalins als angenehm erleben und erfolgreich durchstehen. Doch als Dauerzustand ruinieren sie dich, und der erste Burn-Out winkt in der Ferne.
Was ist ein Projekt?
Zunächst sortierst du alle Vorhaben, die Studien-Aufgaben, die privaten Vorhaben und die Nebenjob-Arbeiten. Du schreibst jede Aufgabe auf einen kleinen Zettel, der Zettel ist nur für dich und muss nicht ausführlich sein. Als Student sind die Grenzen zwischen Studium, Freizeit und Nebenjob stets fließend, daher werden alle Bereiche auf Zetteln erfasst. Dann bildest du drei Stapel: Projekte, Alltag und Aufgaben.
Auf dem Projektstapel landen alle Zettel, die folgende Kriterien erfüllen:
- Das Vorhaben ist einmalig.
- Das Vorhaben hat einen Zieltermin und/oder andere klare Ressourcengrenzen.
- Für das Vorhaben ist das zu erreichende Ziel klar definiert.
- Das Vorhaben besitzt eine gewisse Komplexität oder erfordert für dich das Betreten von Neuland.
- Das Vorhaben kann eventuell auch scheitern.
Die Alltagsaufgaben sind alle Zettel mit Aufgaben, die regelmäßig wiederkehren: Vorlesungen, Seminare, Wohnung putzen, Studienlektüre. Ja, auch das Lernen gehört dazu.
Aufgaben sind in gewisser Weise „kleine Projekte“. Sie sind weniger komplex, weniger vom Scheitern bedroht und beinhalten kaum Neuland. Das rechtzeitige Abgeben des Bafög-Antrags gehört dazu. Für Referat-Neulinge wäre ein Referat ein Projekt, da es einmalig scheint (jedenfalls in Bezug auf das Thema), es scheitern kann, einen klaren Zielzeitpunkt hat und sie damit Neuland betreten. Referat-Erfahrene dagegen sortieren das Referat unter Aufgaben ein, da das Scheiter-Risiko minimal ist und sie versiert Referate vorbereiten und halten.
Mit Übersicht die Oberhand gewinnen
Diese drei Stapel gleichst du im nächsten Schritt mit dem Kalender ab. Dabei rechnest du mit maximal 14 Stunden pro Tag, besser nur 12, um Puffer für Unvorhergesehenes zu haben. Zunächst werden alle Alltagsaufgaben vermerkt. Diese sind meist fremdbestimmt, und du kannst sie nicht flexibel selbst verwalten. Damit sind meist 50 Prozent oder mehr der Zeit verplant. Als nächstes widmest du dich den Aufgaben. Bei diesen unterscheidest du zwischen termingebundenen und freien. Du verteilst die Aufgaben so, dass du jeden Termin gut halten kannst. Als letztes verteilst du die Projekte auf die verbleibenden Zeitkontingente, die viel zu knapp sind.
Also priorisierst du die Projekte. Welche sind wirklich super-wichtig, welche sind notwendig und welche wären schön, sind aber eigentlich auch verzichtbar. Bei der Priorisierung fließen verschiedene Aspekte mit ein. Bist du auf externe Zuarbeiten oder Informationen angewiesen? Kannst du den Zeitaufwand realistisch abschätzen? Ist es ein fremdbestimmtes Projekt, beispielsweise mit einem Termin des Professors, oder ein selbstbestimmtes Projekt? Wie wichtig ist dir dieses Vorhaben? An welcher Stellschraube kannst du drehen, um trotz knapper Ressourcen das Projekt zu bewältigen? Es gibt nur drei Stellschrauben: Zeit, Ressourcen, Ziel-Definition. Mehr Zeit verbessert immer die Erfolgschancen. Mehr Ressourcen erlauben es, Teilaufgaben an andere zu delegieren oder Teile hinzuzukaufen. Hast du zu wenig Zeit und zu wenig Ressourcen, musst du das Ziel so umdefinieren, dass es erreichbar ist. Ein Projekt, dessen Ziel du zu 95 Prozent erreichst, ist dennoch gescheitert.
Projektmanagement im Alltag
Im Kalender bleiben nun kaum noch freie Plätze für spontane Plaudereien mit Freunden, Shopping-Touren oder Kino-Besuche. Bloß gut, dass du jeden Tag zwei Stunden Puffer gelassen hast. Aber die nächsten Wochen und Monate sind alle vorgeplant. Das ist einerseits schockierend, weil du doch dynamisch, modern und flexibel bist. Andererseits ist es beruhigend, dass du für alles einen Platz gefunden hast. Der Plan gibt dir die Basis, um flexibel reagieren und umsortieren zu können. Denn du hast alles erfasst, und die Auswirkungen jeder Änderung sind sofort sichtbar und können dich nicht mehr schockieren.
Deprimiert stellst du fest, dass du gar nicht alle Zettel in der näheren Zukunft einplanen konntest. Doch dank der Priorisierung werden nur weniger wichtige Vorhaben nach hinten geschoben, das ist verschmerzbar. Vor allem weißt du heute schon, was du vermutlich schaffen wirst und was nicht – die bösen Überraschungen entfallen.
Die initiale Übersicht ist etwas aufwändig, aber wirklich nützlich wird sie erst, wenn sie auch im Alltag genutzt wird. Sinnvoll ist eine Pinnwand oder Tafel, die an einem stressfreien Ort aufgehängt wird, beispielsweise in der Küche oder neben dem Arbeitsplatz. Auf dieser Pinnwand oder Tafel landen alle Aufgaben- und Projekt-Zettel der näheren Zukunft in der korrekten Reihenfolge. Bei den termingebundenen steht das Datum natürlich mit drauf. Die Alltagsaufgaben brauchst du nicht als Zettel, denn diese sind selbstverständlich. Wer versäumt, Lern- und Lesezeit im Alltag einzuplanen, ist selbst schuld, wenn dann Lese- oder Lernmarathons nötig werden.
Diese Tafel gleichst du einmal pro Woche mit der Realität ab. Am besten machst du dein eigenes Ritual daraus, beispielsweise jeden Montag beim Frühstück. Du planst deine Woche, was du an welchem Tag vorhast, bei welchen Aufgaben und Projekten du vorankommen oder welche du sogar abschließen wirst. Dabei kann sich auch eine komplette Neuplanung ergeben. Achte auf eine gute Mischung, sonst macht dir die Planbefolgung keinen Spaß.
Plane immer nur eine Woche auf diese Weise, denn einen größeren Zeitraum hast du eh nicht unter Kontrolle. Für alles, was nach dieser Woche kommt, genügt eine grobe Planung, um dich auf kommende Aufgaben und Projekte einzustimmen. Übrigens solltest du externe Zuarbeiten oder Informationen immer so zeitig wir irgend möglich besorgen, nicht erst, wenn du sie brauchst. Dein Plan ist sonst zu sehr von Faktoren abhängig, die du nicht beeinflussen kannst. Das frustriert und reduziert die Erfolgsaussichten.
Papier entlastet das Gehirn
Übrigens gibt es kein Tool, keine App oder sonstiges Computerzeug, das so einfach und flexibel und zuverlässig funktioniert wie eine solche Tafel. Vor allem hast du sie immer im Blick, wenn du sie benötigst. „Das habe ich vergessen“ ist dann nur noch Ausrede und Eingeständnis der eigenen Planlosigkeit.
Projektmanagement bedeutet vor allem:
- Du hast einen Plan.
- Du hast Zeit und andere Ressourcen sinnvoll verteilt.
- Du kannst flexibel auf Veränderungen, spontane Ideen oder Katastrophen reagieren.
- Du entlastest dein Gehirn und Gedächtnis von der Meta-Aufgabe des Planens und Koordinierens und hast somit mehr Zeit und Kapazitäten für konkrete Tätigkeiten.
Jede Woche etwa eine halbe Stunde echte Planung verschafft dir ungeahnte Freiräume. Vor allem gewinnst du sehr schnell eine realistische Vorstellung davon, was du in welcher Zeit tatsächlich schaffst. Damit gelingt dir der Sprung vom Ad-hoc-Planen und „glauben, dass ich es schaffe“ zur verlässlichen Vorhersage und „wissen, was tatsächlich machbar ist“. Du lebst stressfreier und hast – ein überraschender Nebeneffekt – wesentlich mehr Spielraum für spontane Abweichungen vom Plan.
Autor: Alexander Florin bei LinkedIn