Ein Projekt. Warum? Was? Wie viel?

In der Projektanbahnungs- oder -vorbereitungsphase entscheiden drei Fragen über den Projekterfolg. Vor allem bewirken die Antworten realistisches Erwartungsmanagement und tragen so zur Fokussierung und Motivation bei. Die Antworten auf diese drei Fragen sollten jeweils auf eine Din-A4-Seite passen, d.h. sie sind nicht zu detailliert, sondern legen die Grundlagen fest.

  • Warum: Welche Ziele will ich durch das Projekt erreichen?
  • Was: Welche konkreten Ergebnisse wird das Projekt liefern?
  • Wie viel: Welche Kosten, Ressourcen, welches Budget ist nötig?

Warum soll das Projekt angegangen werden?

Alle Projekte zahlen auf mindestens eines der vier Hauptthemen ein: Arbeitsfähigkeit, Effizienz, Chancen und Risiken. Auf dem „Warum“-Blatt werden diese benannt, und wo möglich wird der Unternehmenseffekt beziffert (Smarte Kennzahlen: spezifisch, messbar, ansprechend, realistisch, terminiert).

Wer sich nicht im Vorfeld klar macht, welche Effekte in welchem der vier Bereiche erzielt werden sollen, verzettelt sich oder startet ein Endlos-Projekt. Gerade Projekte, die auf mehrere Hauptthemen einzahlen, müssen die jeweiligen Effekte klar benennen und priorisieren. Natürlich dient beispielsweise ein Migrationsprojekt primär der Arbeitsfähigkeitserhaltung, kann aber auch Effizienzsteigerungen oder Chancenermöglichung dienen. Daher ist im Vorfeld zu klären, ob diese zum Projektauftrag explizit dazugehören oder als Nebeneffekte gelten, die in späteren, separaten Projekten ausgestaltet werden. Ansonsten könnte ein Migrationsprojekt sich endlos verzögern oder scheitern, weil ein störrischer Chancen-Aspekt den erfolgreichen Abschluss verhindert.

Wer das entsprechend aufteilen will, kann zu jedem Eintrag eine Markierung anbringen:

  • „In scope“ (= gehört zum Projekt): Primär-, Sekundär- oder Nebenziel
  • „Out of scope“ (= gehört nicht zu diesem Projekt): ggf. Benennung des Folgeprojekts.
Hauptthemen
  Arbeitsfähigkeit Effizienz Chancen Risiko
Anlass Betrieb ist konkret gefährdet oder künftig beeinträchtigt Optimierungspotenziale identifiziert neue Unternehmensziele, Marktgelegenheiten identifiziert Betrieb oder Unternehmensziel sind potenziell gefährdet
Unternehmensziel Erreichung der Unternehmensziele sichern (intern) besseres Aufwand-Nutzen-Verhältnis (intern) neue Optionen am Markt nutzen (extern) Eintreten des Risikoereignisses (intern o. extern) führt nicht zur Verschlechterung
Projektziel Betrieb aufrechterhalten (Verschlechterung abwenden) Ergebnis um X gesteigert bzw. Aufwand um X verringert neue Option ist nutzbar Risiko ist beherrscht

Arbeitsfähigkeit erhalten

Hard- und Software, Maschinen und Personal müssen kontinuierlich weiterentwickelt und auf den aktuellen Stand gebracht werden. In manchen Fällen lässt sich der Termin, zu dem die Nicht-Arbeitsfähigkeit einsetzt, benennen. Meist handelt es sich jedoch um einen Zeitraum, währenddessen die beeinträchtigte Arbeitsfähigkeit kontinuierlich das Unternehmensergebnis verschlechtert. Folgende Themen gehören beispielsweise dazu:

  • Windows-Migration
  • neue Server oder PCs oder neue Netzwerkstruktur
  • Erneuerung von Maschinen und Geräten
  • Weiterbildungsprogramm für Mitarbeiter
  • Einführung eines Best-Practice-Themas, um wettbewerbsfähig zu bleiben
  • neue juristische Anforderungen

Im Umkehrschluss würde es bedeuten, dass ohne die Durchführung des Projekts der Weiterbetrieb des Unternehmens gefährdet oder unmöglich wird. Ob dies durch Marktbedingungen (Wettbewerbsfähigkeit) oder technische Restriktionen (Support-Ende für verwendete Windows-Version, Maschinenverschleiß) ausgelöst wird, ist unerheblich.

Effizienz steigern

Mit gleichem Mitteleinsatz wird das Ergebnis um X Prozent gesteigert oder das gleiche Ergebnis wird mit X Prozent weniger Mitteleinsatz erreicht. Häufig finden sich folgende Themen in diesem Block:

  • Prozesse verschlanken und beschleunigen
  • manuelle Schritte automatisieren
  • neue (schnellere) Geräte integrieren
  • neue Software einführen

Das Risiko solcher Projekte besteht v.a. darin, dass die zu erzielende Effizienzsteigerung im Vorfeld meist viel zu optimistisch eingeschätzt wird. V.a. bei Automatisierungsvorhaben entsteht oft eine Automatisierung um ihrer selbst willen, oder es werden relevante Sonderfälle vergessen. Sinnvollerweise sollten nur Prozesse automatisiert werden, bei denen bereits viele manuelle Erfahrungen bestehen – so sind Details und Sonderfälle bekannt und können gut geplant werden. Grundsätzlich ist es sinnvoll, für jede Optimierung zunächst eine Testphase zu planen, um das tatsächliche Potenzial und die Effekte korrekt zu ermitteln. Ohne Testphase besteht die Gefahr, dass teure Folge-Projekte entstehen, um unvorhergesehene Nebenwirkungen oder Effekte abzustellen. Diese lassen sich selten vollständig vorhersehen, sondern können oft nur in der Praxis erlebt werden.

Ein etablierter Ansatz zur Prozessoptimierung besteht darin, diese zu einem großen Anteil (mindestens 80 Prozent) zu automatisieren bzw. zu standardisieren. Für die übrigen maximal 20 Prozent wird eine Sonderbehandlung eingerichtet. Da 100 Prozent Automatisierung ein selten erreichbares Ziel sind (irgendwas ist immer), gilt es, eine Standardisierung zu finden, die so viel wie möglich abdeckt – so dass der Großteil eben einfach durchläuft und gut kalkulierbar ist. Für den Rest braucht es dann eine klare Regelung, wie mit diesen zu verfahren ist: Wo verlasen sie den Standard-Prozess, wo kommen sie zu diesem wieder zurück, und welche Mitarbeiter haben welche Möglichkeiten, solche Fälle zu bearbeiten.

Soll Personal eingespart werden oder kann ein Projekt zu Personaleinsparungen führen, ist besonderes Fingerspitzengefühl nötig. Projektsabotage, -verweigerung oder allgemein die Motivation können den Projektfortschritt und damit das Ziel erheblich gefährden.

Neue Chancen ermöglichen

Es gibt eine Idee, wie das Unternehmen sich verbessern kann, oder ein anderes Projekt ermöglicht neue Services oder andere Vorteile. Chancen können in verschiedenen Formen auftreten:

  • eine Marktlücke wird entdeckt
  • bestehende (oder neu eingeführte bzw. einzuführende) Technologie oder Prozesse ermöglichen neue Services oder Dienstleistungen

Mit Chancen sind alle Fälle gemeint, die das Unternehmen in dieser Form so noch nicht abdeckt, ob nun intern oder extern. Manche Chancen zielen auf Prozessoptimierungen ab; wird ein Prozess durch einen anderen abgelöst, ist es eine Chance, wird er nur verbessert, ist er ein Effizienzthema. Andere Chancen ergeben sich durch die Verwendung neuer Technologie, die im Rahmen eines Arbeitsfähigkeitsprojekts eingeführt werden. Auf Neudeutsch handelt es sich um „Enabling“ (Befähigung), etwas neu oder etwas Neues zu tun.

Strategisch ist es meist sinnvoll, solche Chancen-Projekte als eigene Projekte zu behandeln und klar von anderen zu trennen. Sie können beispielsweise als Ausbauprojekte aus früheren oder aktuellen Projekten entstehen – diese verweisen dann im Chancen-Block auf diese als „out of scope“.

Unternehmerische Risiken reduzieren

Die Themen sind ähnlich zu den vorigen. Man muss dies nicht unbedingt als separaten Block verstehen, aber in einigen Fällen ist dies hilfreich. Der Unterschied zu den übrigen besteht darin, dass zur Risiko-Reduzierung auch „weiche Themen“ gehören. Deren Ergebnis und Auswirkungen sind selten klar absehbar bzw. wirken meist indirekt oder in einer unbestimmten Zukunft. Wie eine Versicherung sollen sie verhindern, dass mögliche Problemfälle negative Auswirkungen auf das Unternehmen haben. Beispiele können sein:

  • Schaffung eines neuen Vier-Augen-Prozesses, um Missbrauch oder Fehler zu verhindern
  • Austausch funktionierender Maschinen oder Geräte ohne akute Notwendigkeit, aber der Hersteller hat die Entwicklung eingestellt – was z.B. die Ersatzteilbeschaffung im Notfall erschwert
  • Refaktorierung von Software oder Prozessen, um Abhängigkeiten zu reduzieren (z.B. von Wissensträgern, Drittanbietern oder veralteter Technologie)

Was wird das Projekt liefern?

Diese Seite enthält alle Arbeitspakete und zu erledigenden Aufgaben – der Abstraktionsgrad wird so gewählt, dass sie tatsächlich auf eine Din-A4-Seite passen. Was nicht auf dieser Seite aufgeführt wird, ist auch nicht Bestandteil des umzusetzenden Projekts. Die „Warum“-Seite liefert den unternehmerischen Erwartungshorizont, die „Was“-Seite den fachlichen. Beide bedingen einander und werden iterativ erarbeitet, die Trennung schafft vor allem Klarheit in Bezug auf die Erwartungen. Die „Was“-Seite ist quasi eine Zusammenfassung des Use-Case mit seinen wichtigsten Anwendungsfällen.

Außerdem gehört ein hinreichend detaillierter Plan auf diese Seite. Darin sind auch alle Termine (als Datum oder Ereignisdefinition) eingetragen:

  • Meilensteine oder Prüfpunkte, zu denen Entscheidungen gefällt werden
  • Zwischenergebnisse und Testphasen
  • Projektabschlusstermin: als Wunsch-Datum oder verbindliches Datum (z.B. wegen juristischer Frist)
  • Akzeptanzkriterien: Wie kann das Erreichen des Projektziels ermittelt werden

Gerade die Akzeptanzkriterien (an anderer Stelle oft detaillierter ausgeführt) reduzieren auch das Ausfallrisiko. Als Denkhilfe dient folgendes Szenario: Wenn alle Personen aus der Anfangsphase nicht mehr zur Verfügung stehen – nach welchen Kriterien (smarten Kennziffern, Fakten) könnte ein neuer oder externer Beobachter beurteilen, ob das Projekt sein Ziel tatsächlich erreicht hat?

Wenn geeignet, wird auch das Durchführungsmodell benannt:

  • Iterativ: Jeweils Budget-gedeckelte Phasen bauen aufeinander auf. Bei Phasenende wird über die Fortführung und Folge-Budgets entschieden. Der iterative Ansatz bietet sich an, wenn Forschungen oder Machbarkeitstests nötig sind, es also einen hohen Anteil an Unwägbarkeiten gibt.
  • In Phasen: Das Projekt wird in Phasen zerlegt, die jeweils eigene Budgetplanungen haben; ein erfolgreicher Phasenabschluss bedeutet automatisch den Beginn der nächsten Phase. Das Budget wird am Anfang für das Gesamtprojekt bewilligt, und der Ansatz ist vor allem für agiles Arbeiten (z.B. nach Scrum) geeignet.
  • Im Ganzen: Das Projekt wird als Ganzes durchgeführt, Meilensteine oder Zwischenergebnisse dienen der Vergewisserung. Entscheidungen werden nur nötig, wenn der Projektfortschritt nicht dem Plan entspricht. Dieser Ansatz eignet sich vor allem für Projekte nach dem Wasserfall-Modell.

Wie viel wird das Projekt kosten?

Ausgehend von den Arbeitspaketen lässt sich das Projekt budgetieren. Der Personal- und Materialeinsatz ist grob abschätzbar. Dabei sollte jedes Teil-Projekt gesondert kalkuliert werden. Insgesamt werden alle erwarteten Einnahmen, Ausgaben und Projektkosten jeweils einem der folgenden Aspekte zugeordnet:

  • Einnahmen und Effekte durch das Projektergebnis:
    • einmalig, unmittelbar (z.B. durch Verkauf des Projektergebnisses oder Spareffekte durch Personalkürzung bzw. Vertragsauflösung)
    • dauerhaft, mittelbar (z.B. monatliche Effizienzausbeute bzw. Ergebnissteigerung oder Marktvorsprung)
    • potenziell (z.B. Nutzung von Zwischenergebnissen oder Effekte aus Testphasen, Auswirkungen auf andere Unternehmensteile)
    • verhinderte Negativeffekte (z.B. drohende Verluste, Risikowegfall)
  • Ausgaben
    • reine Projektkosten (Personal, Material, externe Leistungen)
    • Projektnebenkosten (z.B. Projektmanagement, Schulungen)
  • potenzielle Projekteffizienzeffekte (z.B. durch Zusammenlegung von Projekten oder günstige Gelegenheiten)

Insbesondere die Trennung zwischen Projektergebniseffekten und Projekteffizienzeffekten schärft den Blick: Erstere treten ein, wie und wann das Projekt auch immer fertiggestellt wird. Zweitere entstehen nur durch die Art, wie das Projekt umgesetzt wird, und können somit nur während der Projektlaufzeit auftreten. Oft basieren sie auf günstigen Gelegenheiten, beispielsweise dass ein sonst teurer Experte günstig verfügbar ist, zwei Projekte direkt hintereinander ablaufen können, was Start- und Vorlauf-Phasen verkürzt, oder dass eine knappe Ressource zur Verfügung steht.

Diese Aufteilung lässt spätere Budgetanpassungen leichter kommunizieren – und diese sind wahrscheinlich. Es macht für den Projektauftraggeber einen erheblichen Unterschied, ob durch unerwartete Ereignisse die Projektkosten steigen, die Projektnebenkosten sinken oder sich Projekteffizienzeffekte nicht in voller Höhe ergeben. Die klare Kommunikation, welcher Euro welchem Budgetteil bzw. welchem Einnahmebereich zugerechnet wird, verhindert, dass Anpassungen politisch instrumentalisiert werden.

Beträgt der Budgetanteil für Projektmanagement und ähnliche Nebentätigkeiten weniger als etwa 20 Prozent der Projektkosten, ist man vermutlich zu optimistisch unterwegs. Beim Personaleinsatz sind die Opportunitätskosten zu berücksichtigen. Das beinhaltet, dass Mitarbeiter aufgrund des Projekts eben nicht für andere Aufgaben oder Projekte zur Verfügung stehen.


Sind diese drei Hauptthemen (Unternehmensziele, Projektziele und Budget) erarbeitet, steht das Grundgerüst fest. Idealerweise werden diese Seiten dann sichtbar im Projektraum aufgehängt und sind bei jedem Meeting zu Entscheidungen dabei. Denn sie bilden die Grundlage, an der sich jeder Projektschritt bemisst und auf der jede Entscheidung basiert.

Ob man diese Seiten nun tatsächlich anfertigt oder lediglich die enthaltenen Fragen klärt, ist in der Praxis fast nebensächlich. Zahlreiche Projektratgeber haben andere Instrumente, die ebenso funktionieren. Dieser Text stellt aus der Praxis destillierte Aspekte und ein Framework vor, das vor allem bei mittelgroßen Projekten nützliche Anregungen und Hilfestellung liefert.

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